18 Fragen zum spirituellen Testament

… wie die Seele Flügel bekommt

Das Thema Vorsorge, das besonders seit Corona viele Menschen interessiert, bringt uns in unmittelbaren Kontakt mit der Sterblichkeit. Es fordert auf zur kreativen Übernahme von Verantwortung für das eigene Leben bis zuletzt, und zwar jetzt. Zum Thema Testamente und Verfügungen zu Krankheit, Sterben und Tod finden Sie in www.elysium.digital unter der Rubrik Vorsorge hilfreiche Informationen. Auch das spirituellen Testament gehört zur Vorsorge. Darin nehmen Sie sich die Freiheit zu bestimmen, was für Ihr geistig-seelisches Wohlbefinden bis zuletzt wichtig ist. Sie finden hier zwei Varianten der Fragen zum spirituellen Testament; einmal einen Basistext mit 18 Fragen und zusätzlich einen erweiterten Download in Form einer Tabelle, eines Formulars. Der Download enthält 18 Fragen mit Ergänzungen, die Sie ausdrucken und schriftlich beantworten können. Die Fragen sind neu überarbeitet. Es ist die Version vom Juni 2020.

Alle spirituellen Traditionen weisen darauf hin, wie wichtig der innere Frieden ist, wenn wir sterben. Es gilt, die Geistesverfassung im Moment des Todes prägt den Lebensübergang. Daraus kann man schlussfolgern: Wir können uns auf den Tod vorbereiten, indem wir dem, was in uns Geborgenheit und Seelenfrieden bewirkt und uns mit der Kraft der Liebe verbindet, Raum geben. Nötig ist die Erkenntnis, ich brauche mehr als gute Pflege und palliativmedizinische Versorgung oder Begleitung am Ende des Lebens. Eine besonders wichtige Vorbereitung auf den Lebensübergang ist die innere, eine des Herzens, die unsere Gefühle und Gedanken erfasst.

Notieren, was die Seele will

Seit Jahrtausenden haben Menschen Praktiken, Methoden, Rituale entwickelt, die das Herz öffnen und weit werden lassen, nicht nur in den Religionen. Dies gilt besonders für den Umgang mit dem Tod, der meist als Wandel oder Übergang im Sinne einer Transformation gesehen wird, als Abkehr von der Welt der Formen, der Materie, als Übergang in das Feinstoffliche, Energetische hinein oder als Auflösung von allem. Menschen erleben seit Jahrtausenden wie Gebet, Meditation, Textvortrag, Gesang, Mantrarezitation, Musik, künstlerisches Gestalten, Spiel, Tanz, Trance, Rituale bzw. symbolische Handlungen bei der Bewältigung von Abschieden helfen. Ein gut begleiteter Abschied vom Leben entlastet die Seele und macht den Kontakt zum Überpersönlichen möglich. Wer seine Wünsche für die wichtige Zeit vor dem Tod mitteilt, öffnet auch eine Tür für die Menschen, die ihn begleiten. Am Lebensende spüren wir manchmal innere Botschaften. Sie helfen die dunkle Nacht der Seele zu überwinden, zeigen den Weg in die Erfahrung des Verbundenseins von allem mit allem. Das, wovon Sie meinen, es wird mir helfen, mich zu öffnen, wenn ich sterbe, es tröstet mich, stützt mich, es gibt mir Zuversicht für die bevorstehende Reise, gehört ins spirituelle Testament. Dazu können religiöse Praktiken, Gebete und Texte gehören oder die Bitte um Stille im Raum, wenn die Seele Flügel bekommt, jedenfalls alles, was für Sie stimmt. Finden Sie heraus, wie Ihr ganz persönlicher Weg aussehen könnte. Notieren können Sie auch, was Sie nicht wollen.

Es ist eine Errungenschaft der modernen Medizin, dass Menschen heute weitgehend schmerzfrei aus dem Leben gehen können. Das gilt besonders, wenn die palliativmedizinische und pflegerische Betreuung gut ist. Dann haben Sterbenskranke Kopf und Herz frei. Sie können in Resonanz gehen mit Gefühlen, Wünschen und Hoffnungen. Wenn Ihre Nahestehenden wissen, was Ihnen guttut, können Sie Ihnen hilfreich zur Seite stehen. Auch bei plötzlichem Tod während eines Unfalls beziehungsweise im Zusammenhang mit einer heimtückischen Krankheit oder weil gerade ein wichtiges Organ ausfällt oder bei Suizid kann ein spirituelles Testament sinnvoll sein, zum Beispiel wenn Ihnen Gebete, Fürbitten und mehr wichtig sind und/oder besondere Umgangsformen mit dem toten Körper.

Interessant finde ich, dass es bis heute für Wünsche zur Gestaltung einer persönlichen geistig-seelischen Begleitung während des Sterbens und im Tod keinen gesellschaftlich anerkannten, schriftlichen Rahmen gibt wie zum Beispiel für das Testament oder die Patientenverfügung. Das ist sicherlich mitbegründet darin, dass sich seelische Bedürfnisse nicht juristisch regeln lassen. In der Begleitung von Sterbenskranken nehme ich wahr, emotionale und seelischen Bedürfnisse sind für viele Menschen am Lebensende sehr wichtig. Es macht daher Sinn bei Zeiten herauszufinden, wie öffnet sich mein Herz für Frieden und Liebe, die auch über dieses Leben hinausgehen können? Was braucht meine Seele, wenn ich schwach und krank bin? Wer soll mich wie begleiten? Es ist wichtig, dass Sie entdecken, wie Ihr ganz persönlicher Weg aus diesem Leben aussehen könnte. Denken Sie nach. Sprechen Sie darüber. Stehen Sie zu Ihren Wünschen. Vergessen Sie nicht, aufzuschreiben und zu hinterlegen, was Sie wollen, so dass Ihre Wünsche wirksam werden, wenn es an der Zeit ist. Leiten Sie Ihre Botschaft unbedingt an die Menschen weiter, die Ihnen wichtig sind. Ihre Angehörigen und Nahestehenden werden vielleicht dankbar dafür sein. Dazu dient das spirituelle Testament. Es enthält Hinweise für alle, die an Ihrer Seite sind, wenn das Leben aufhört. Mit Hilfe der Fragen, die ich unten formuliert habe, können Sie herausfinden, welchen Umgang mit Ihrer Seele und Ihrem Körper Sie sich wünschen, und zwar im Sterben, dem Tod und unmittelbar danach. 18 Fragen können einen Klärungsprozess einleiten. Das Ergebnis könnte ein sehr persönlicher, zusammenhängender Text sein, der Ihre Bedürfnisse ausdrückt.

Das spirituelle Testament gehört für mich in die Patientenverfügung, mindestens als Anhang. Die Patientenverfügung und dazugehörigen Vollmachten enthalten unsere Vorstellungen von der medizinischen Behandlung und Pflege vor dem Tod sowie die Bestimmung über den Aufenthalt und auch die Regelung von finanziellen Verantwortlichkeiten und mehr. Das spirituelle Testament drückt aus, wie Geist und Seele begleitet werden wollen. Ihr spirituelles Testament können Sie mit der Patientenverfügung in Form einer verkleinerten Kopie in einer Hülle bei sich tragen oder Sie wählen eine kleine Scheckkarte für die Geldbörse, auf der angeben ist, wo Ihre Vorsorgeunterlagen hinterlegt, bzw. zu finden sind. Informieren Sie eine Person Ihres Vertrauens über Ihr spirituelles Testament. Unterzeichnen Sie es mit Ihrem Namen, fügen Sie Ort und Datum ein und lassen Sie eine Zeugin unterschreiben. Heften Sie es an Ihre Patientenverfügung. Das ist der weltliche Weg der Absicherung, der dazu beiträgt, dass sich Ihre Wünsche manifestieren können, wenn Sie außer Gefecht sind.

Das Testament in der Seifenblase

Sobald Sie ein Testament oder Ihre Verfügungen verfasst haben, lassen Sie diese innerlich los. Es ist natürlich eine Illusion, wenn wir glauben, mit den Vorsorge-Vollmachten die Unberechenbarkeit des Todes in den Griff zu bekommen. Dies gilt auch für das spirituelle Testament. Um einem möglichen „Kontrollbedürfnis“ entgegen zu wirken, schlage ich Ihnen die folgende kleine Visualisierung vor:
Schließen Sie die Augen, halten Sie für einige Minuten inne, indem Sie Ihre Aufmerksamkeit auf Ihren Atem richten. Lassen Sie jetzt Ihre Überlegungen zum spirituellen Testament vor Ihrem geistigen Auge Revue passieren. Stellen Sie sich einen schönen Sommertag vor. Der Himmel ist ohne Wolken. Vor Ihnen erscheinen zahlreich bunt schimmernde Seifenblasen, die im Wind tanzen. Nehmen Sie Ihre Gedanken als einen unsichtbaren feinen Nebelhauch wahr. Wählen Sie sich eine Seifenblase aus. Lassen Sie den Gedankennebel gemeinsam mit dazu gehörenden Gefühlen in diese Seifenblase hineinfließen. Die Seifenblase schwebt nach oben auf den strahlend blauen Himmel zu, mit dem Sie schließlich gänzlich verschmilzt. So wird der Inhalt der Seifenblase eins mit dem unermesslich weiten, blauen Himmel über Ihnen. Lassen Sie Ihre inneren Erfahrungen noch ein wenig wirken. Lenken Sie die Aufmerksamkeit wieder auf den Atem. Spüren Sie Ihren Körper. Bewegen Sie sich sanft. Öffnen Sie die Augen. Wenn es an der Zeit ist, nehmen Sie einen Stift in die Hand und schreiben Sie unter das sorgfältig formulierte, spirituelle Testament den folgenden Satz: „Wenn alles anders kommt, ist das auch in Ordnung!“

18 Fragen zum spirituellen Testament (Basistext)

1. Gehören Sie einer Religionsgemeinschaft an?

Wenn ja, welcher: Notieren Sie den Namen, die Adresse und mögliche Ansprechpartner.

2. Sollen Vertrauenspersonen Ihrer spirituellen Gemeinschaft über Ihre Krankheit, Ihr Sterben und Ihren Tod informiert werden und wie?

3. Was wünschen Sie sich von Ihrer Gemeinschaft, wenn Sie sterbenskrank sind?

4. Möchten Sie sich von der Gemeinschaft verabschieden und wenn ja wie?

5. Welche Wünsche haben Sie für die spirituelle Begleitung vor dem Tod?

Wünschen Sie den Besuch eines Priesters, Pfarrers, Rabbis, Imams, von Gemeindemitgliedern, eines spirituellen Lehrers. Geht es Ihnen dabei um ein Gespräch oder eine spirituelle Praxis, wie z. B. die Krankensalbung, das Abendmahl, das Vorlesen heiliger Schriften, Gebete, gemeinsame Meditation, Kontemplation, gemeinsames Singen, die Rezitation heiliger Texte oder besondere Rituale.

6. Sollen heilige Symbole in Ihrem Raum sein, das Kruzifix, Statuen, Bilder, Räucherwerk?

Soll ein kleiner Altar aufgebaut werden?

7. Gibt es Gebete, Texte, Musik, wichtige Sätze, die an Ihrem Bett gesprochen/gespielt werden sollen, wenn Sie nicht mehr bei Bewusstsein sind?

8. Wünschen Sie spirituelle Begleitung im Sterbeprozess und Moment des Todes, falls das möglich ist?

9. Wie soll mit Ihrem Leichnam umgegangen werden?

Wünschen Sie eine besondere spirituelle Begleitung nach dem Tod?
Möchten Sie noch unberührt liegen, wenn ja, wie lange nach dem Tod?

10. Gibt es Rituale, die nach Ihrem Tod am Totenbett vollzogen werden sollen?

11. Haben Sie spezielle Wünsche für den Transport und die Aufbewahrung des Leichnams?

12. Gibt es besondere Wünsche für die Trauerfeier?

13. Haben Sie besondere Wünsche für Ihr Begräbnis?

14. Gibt es spezielle Praktiken, die für Sie nach dem Tod ausgeführt werden sollen?

15. Möchten Sie, dass Geld- oder Sachspenden an spirituelle oder gemeinnützige Projekte weitergeleitet werden?

16. Was soll im Umgang mit Ihrem Leichnam auf keinen Fall passieren?

17. Zusätzliche Anmerkungen/Wünsche

18. Letzter Satz

„Es ist auch in Ordnung, wenn die Dinge anders geschehen.“ 1)


Die aktualisierte und erweiterte Downloadversion finden Sie unter:

Das spirituelle Testament (PDF)

Zitate
1) Grundversion des spirituellen Testaments in: Knaur/ MensSana 2014, S.61 f . Die erweiterte Fassung mit „18 Fragen zum spirituellen Testament“ von 2020 finden Sie als Vordruck im Download unter:

Literaturangaben:
Lisa Freund, Das Unverwundbare, O.W.Barth-Verlag 2011
Lisa Freund, Geborgen im Grenzenlosen, O.W.Barth Verlag, 2012
Lisa Freund, Sterben können, Knaur/ MenSana 2014, S. 61f
Lisa Freund: Die Patientenverfügung, http://www.elysium.digital/leben-bis-zuletzt/vorsorge-leben-bis-zuletzt/die-patientenverfuegung/
Publikationen des Bundesministeriums für Justiz, alle als Download unter: www.bmj.de
Betreuungsrecht mit ausführlichen Informationen zur Vorsorgevollmacht
Erben und Vererben (Broschüre)
Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht /Broschüre) und Module für den Download
sowie einzelne Vordrucke für Vollmachten und mehr

Podcast vom 10.6. zum spirituellen Testament: Ein Rucksack voller Steine, der immer leichter wird: https://srv.deutschlandradio.de/dlf-audiothek-audio-teilen.3265.de.html?mdm:audio_id=836651

 

Lisa Freund
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Eine Antwort

  1. 10. Juli 2020

    […] Einen aktuellen Artikel zum spirituellen Testament finden Sie hier: 18 Fragen zum spirituellen Testament […]

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