Was ist Spiritualität?
Versuch der Erklärung eines vieldeutigen Wortes
Der Begriff „Spiritualität“ wird im Zusammenhang und in Unterscheidung von religiösen und ethischen Themen sehr unterschiedlich verstanden, was auch zu Missverständnissen führen kann. Um dem ein wenig abzuhelfen, haben wir uns an einer Erklärung dieses Wortes versucht, die die Vielschichtigkeit des Begriffes zeigt und auch der Tatsache Rechnung zollt, dass es keine Erklärung gibt, die man nicht diskutieren könnte.
Spiritualität – ein Definitionsversuch
Es gibt vielfältige Definitionen dieses Wortes. Der Duden sagt: Spiritualität wird gleichgesetzt mit Geistigkeit, dem geistigen Wesen. Untersucht man die Wurzel des Wortes aus dem Lateinischen, findet man das Wort Spiritus in der Bedeutung von Geist oder Hauch oder Lebensgeist bzw. spiro: Ich atme. Das Geistige wird hier weiter gefasst als das Religiöse. Wenn ich etwas spiritualisiere, dann vergeistige ich es, bringe es auf eine höhere Ebene als das tierische Programm in mir, dazu gehört eine Verknüpfung von Denken und Fühlen, die wiederum auf einer höheren Ebene zusammengefügt werden. Das Stichwort hier ist Transzendenz oder der Hinweis auf einen Raum, den spirituellen, der über meine Egofixierung oder irdische Persönlichkeit hinaus weist, was immer das auch sein mag.
Spiritualität und Religion
Im religiösen Sinne ist der Begriff im Abendland von der christlichen Tradition geprägt. Noch mein alter DTV-Brockhaus aus den 60iger Jahren sieht die Spiritualität als Domäne des Religiösen.Zum Beispiel ist der Spiritual in der katholischen Tradition der Seelsorger oder Beichtvater und die Spiritualien sind die geistigen Dinge wie Weihen oder die Sakramentsspendung, die im Mittelalter in der Obhut des Klerus lagen. Auch in anderen religiösen Systemen wird der Begriff Spiritualität mit dem jeweiligen Gottesbild oder der dem Begriff zugeordneten Philosophie belegt.
Spiritus als Sprit
Schließlich gibt es noch die profane Deutung von Spiritus, den man auch als Weingeist definieren kann, also als Alkohol oder Sprit. Es sind die Spirituosen, die der geistigen Verneblung dienen und eventuell neue Bewusstseinserfahrungen ermöglichen im Sinn von „in vino veritas“. Auch hier dient der Stoff (Wein) zur im günstigsten Fall Erweiterung von etwas Nichtstofflichem, dem Geist. Am profansten wird es, wenn wir das Wort im Spiritusbrenner wieder finden, mit dessen Hilfe grobstoffliche Energie in Wärme umgewandelt wird, die man sogar zum Kochen benutzen kann. Im Nahrungskreislauf wird sie wieder ins Grobstoffliche aufgenommen.
Spiritismus
Es gibt auch noch das Wort Spiritismus; da geschieht Okkultes. Das ist die Sphäre des Unheimlichen, der Glaube an die Erscheinung von Seelen , von feinstofflichen Wesen, getreu der Grundbedeutung von „spirit“, die sich ans Englische anlehnt, und mit Geist im eigentlichen Sinne den Geist eines überirdischen Wesens meint. Da finden Seancen statt, es wird gechannelt und Tische werden gerückt oder Metall wird gebogen. Hier offenbart sich wieder die menschliche Sehnsucht nach Grenzüberschreitung, die Suche nach dem Abenteuer neuer geistiger Erfahrungen.
Spiritualität seit den 80er Jahren
Im New Age der 80er Jahre wurde meistens die Überschreitung von Grenzen in der menschlichen Erfahrung/Wahrnehmung, zum Beispiel mit Drogen oder Musik oder Trancen oder Gruppenerlebnissen als spirituelle Erfahrung verbucht und der Begriff erhielt eine Loslösung aus dem Religiösen und versank im Sumpf des Diffusen. Jeder verstand darunter etwas anderes. Der Hippie bezog sich auf die Drogenerfahrungen, der westliche Schamane auf Tranceerlebnisse. Generell kann man sagen: Spiritualität wurde im grenzüberschreitenden transzendenten Raum angesiedelt. Man wandte Methoden an, zum Beispiel holotropes Atmen, Trancen, Meditation oder Drogenkonsum, um neue innere Erlebniswelten zu erfahren. Ziel war es meist, die Dualität zu überwinden, die Erfahrung des Verbundenseins mit allem zu ermöglichen, ein Fließen, das ekstatisch ist und die Auflösung der Ichgrenzen anstrebt – eine Unio mystica oder die Erfahrung des All-eins-seins.
Was tun angesichts der Vieldeutigkeit dieses Begriffs?
Entscheidend finde ich neuere Erkenntnisse, beispielsweise in : „Spiritualität, Krankheit und Heilung – Bedeutung und Ausdrucksformen in der Medizin von 2006“, hrg. von Büssing u.a. In diesem Buch wird Spiritualität verstanden als nach Sinn und Bedeutung suchende Lebenseinstellung. Man ist sich eines transzendenten Ursprungs bewusst oder eines göttlichen Kerns, kann diesen jedoch persönlich definieren entweder religionsgebunden oder davon unabhängig. Das Streben nach dem All-Eins-Sein, ist dann Ausdruck einer individuell gelebten Spiritualität. Der Blick geht weg von der Ichbezogenheit ins Überpersönliche.
Damit ist der Weg von einem äußeren zu einem inneren Gottesbild vollzogen, gefolgt von einem Trend in den westlichen Gesellschaften, sich von monotheistischen Vorstellungen zu lösen und zu einer Synthese von Spiritualität und Wissenschaft zu kommen (Quantenphysik). Immer gehen Spiritualität und ein spezielle Verständnis von Ethik Hand in Hand.
Spiritualität und Hospizbewegung
Heute ist spirituelle Begleitung eine der vier Säulen der Hospizbewegung, neben der palliativ-pflegerischen, der palliativ-medizinischen Versorgung und der psychosozialen Begleitung. Spirituelle Begleitung wird verstanden als religionsübergreifende Unterstützung in der individuellen Sinnsuche, die über den Tod hinaus gehen kann. Der spirituelle Raum wird geöffnet, damit der Sterbende seinen persönlichen Weg, auch wenn er konfessionell nicht gebunden ist, findet. Es geht um Seelenfrieden.
Spiritualität und Elysium.digital
Wir sehen das Spirituelle als etwas, das in den transzendenten Raum hineinreicht, über sich selbst hinausweist, und das Verbundensein mit allem anstrebt. Seit die Menschheit existiert, gibt es dieses Streben nach der Überwindung der Begrenzung durch die Form. Wir gehen einen kleinen Schritt weiter, in dem Sinne, dass wir „geistige Wesen in einem menschlichen Körper sind“ (frei nach Teilhard de Chardin). Insofern sehen wir unser spirituelles Wesen als unsere eigentliche Natur. Wenn wir im Tod den Körper wie ein Kleid ablegen, befreit sich die spirituelle Essenz irgendwohin … Da bleibt noch ein Mysterium. Gerade das motiviert uns, diese Plattform zu gestalten.
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