Riten des Übergangs
Zwölf Aspekte für die Gestaltung von Ritualen in der Sterbebegleitung
10. Ideen für die Gestaltung von Abschiedsriten
Wir können uns um das Bett eines Kranken oder gerade Verstorbenen versammeln, ein Teelicht entzünden, eine kleine Ansprache halten, dem Kranken Mut zusprechen, gemeinsam beten oder meditieren, vielleicht in Stille ihm Licht und Liebe schicken, ein Lied singen, ein Mantra sprechen, eine Musik spielen, die ihm das Herz aufgehen lässt, einen Text vortragen, ihm Blüten oder ein kleines Geschenk darbringen, weben am atmosphärischen Netz von Mitgefühl, Liebe, Geborgenheit und innerer Einkehr. Wir können in Worten und Gedanken ausdrücken, dass wir die Kranke/die Verstorbene wertschätzen und lieben und uns bemühen oder bereit sind, sie gehen zu lassen. Aus den oben skizzierten Elementen lassen sich kleine Zeremonien zusammenbauen. Wir können sie anpassen an die besondere Persönlichkeit, die wir vor uns haben und deren Angehörige. Dazu ist es nötig, mit Respekt und Achtsamkeit mit dem Prozess zu fließen, Raum zu geben für Gefühle, Berührung zuzulassen und Pausen und Stille auszuhalten ebenso wie die bewegenden Momente, die entstehen. Es ist wichtig einen religiösen Standpunkt nicht zu oktroyieren. Die Würdigung des Menschen vor uns steht im Vordergrund, nicht irgendein Missionierungsgedanke oder die eigene Überzeugung.
Den Rückzug der Sinne begleiten
Ich möchte einen Auszug aus einem Text von Josef Brombach zitieren, der das Elisabeth-Hospiz in Lohmar-Deesem bei Köln leitete, und der mit viel Erfahrung und Einfühlungsvermögen Abschiede im Hospiz gestaltet hat. Er variiert und verändert das christliche Ritual der Krankensalbung, so dass es auch für Menschen „…die kein kirchlich-konfessionelles Ritual-Verständnis haben…“ (Josef Brombach) annehmbar ist. Dieses kleine Ritual würde auch aus buddhistischer Sicht dazu beitragen, die Tore der äußeren Sinneswahrnehmung zu verschließen und dem Sterbenden oder Verstorbenen helfen, den Blick nach innen zu richten, in das innere Licht hinein. Aus buddhistischer Sicht ist der Rückzug der Sinne von der Außenwelt eine gute Voraussetzung für die Vorbereitung auf die Reise des Geistes aus dem Körper, da die Aufmerksamkeit jetzt nicht mehr abgelenkt werden kann von den Ereignissen der äußeren Welt.
Hier habe ich Auszüge zusammen gestellt zu einem Ritual, das Josef Brombach in einem bisher noch unveröffentlichten Papier beschreibt:
Der Ritualleiter salbt mit seinen Händen nach einer feierlichen Begrüßung und Einstimmung, der um das Bett Versammelten die Sinnestore in etwa mit folgenden Worten:
Bei der Salbung der Stirn: wird dem Kranken die Kraft gewünscht(erbeten), von allen lästigen, störenden mentalen Verhaftungen und vom Gestrüpp verwirrender blockierender Gedanken und Grübeleien frei zu werden, damit er durch die Leere des Denkens und des Geistes in einem neuen Bewusstsein leer und offen wird für seine neue Zukunft.
Nicht nur nach buddhistischen, sondern auch nach christlichem Verständnis und in dem meisten psychologischen und anthropologischen Verstehensweisen menschlicher Existenz hat jegliches Leid seine Ursachen in einem unerlösten, gefangenen Geist. Die Salbung der Stirn möge dem Empfänger helfen zur Öffnung und Erweiterung des Bewusstseins und zum Erkennen der tieferen Bedeutung seiner Krankheit und seines Sterbens, seiner menschlichen Existenz, zum tieferen Verständnis seines jetzigen und künftigen Sinn- und Lebenszusammenhangs.
Bei der Salbung der Augen wird Zuspruch für die Fähigkeit erteilt, alles aus dem Blick fahren zu lassen, was die Einsicht blockiert in den Sinn von Lebensveränderung im Ertragen der Krankheit.
Bei der Salbung der Ohren wird Zuspruch erteilt für die Fähigkeit, die Ohren zu verschließen vor „dem Lärm der Welt“ und mit dem inneren Ohr lauschen zu können auf das, was für die Zukunft danach neu angekündigt wird.
Die Salbung des Herzens ist begleitet von einem Gebetswort, in dem Sinne, dass der Kranke frei werde von allen inneren Ängsten, von Enge und dem Gefühl, verlassen zu sein, damit sein Herz weit werden kann und sich für die verstehende Liebe Gottes öffnet und damit es Sehnsucht und Hoffnung auf das Kommende gewinnt.
Bei der Salbung der Hände beten wir um die Bereitschaft, alles loslassen zu können, alles, was der Kranke an vermeintlichen Sicherheiten, an nunmehr unbrauchbarem Plunder nicht mehr brauchen kann, auf dass er sich in seine leeren Hände hinein neu beschenken lassen kann.
Bei der Salbung der Füße folgt ein Gebet um Festigkeit und Mut für den Aufbruch in das „neue Land“, das uns von Christus verheißen worden ist, und ein Gebet um Standhaftigkeit, in der bevorstehenden geistigen Entscheidungssituation bestehen zu können.
Diese Gebete werden individuell formuliert und sollen dem jeweiligen religiösen und existentiellen Lebensverständnis des Kranken angemessen sein.
Wer diese kleine Zeremonie in einen rituellen Ablauf einbetten will, für den können die oben genannten Kriterien zur Durchführung eines Ritual hilfreich sein. Die in Würde vollzogene, achtsam angeleitete und mitfühlende Gestaltung eines Abschieds ist Balsam für die Seelen der Beteiligten.
Der Tod ist eine einprägsame Erfahrung. Alle Beteiligten dieser Zeremonie stehen mit auf der Schwelle und werfen einen Blick in das Mysterium. Ein gelungenes Ritual öffnet die Herzen, gibt Kraft und trägt in der Trauer. Wenn es dann noch gelingt, Trauerfeier und Beisetzung stimmig zu gestalten ebenso wie den Leichenschmaus, so ist schon viel Trauerarbeit geleistet worden. Dankbarkeit und eine Atmosphäre des Aufgehobenseins im Leid, das Gefühl des Verbundenseins umfangen die Hinterbliebenen, spenden Schutz. Der Verstorbene kann auf der geistigen Ebene aufnehmen, was ihm geboten wird und Kraft für seine Reise schöpfen.
Ein solcher Abschied kann in unseren Einrichtungen oder Zuhause zelebriert werden oder wenn ein Mensch im Krankenwagen stirbt oder symbolisch vollzogen werden, auch in Abwesenheit des Verstorbenen.
Nach dem Ritual dient eine Zusammenkunft bei einer Tasse Tee dem Austausch. Die Bewegung der Gefühle und des Geistes kann ausklingen. Dies könnte auch mit einem kleinen Imbiss oder dem Reichen von Gebäck verbunden werden. Hierzu braucht man Helfer, die alles vorbereiten. „
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Eine Antwort
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