Riten des Übergangs
Zwölf Aspekte für die Gestaltung von Ritualen in der Sterbebegleitung
2. Wer oder was stirbt?
Es stirbt der Körper, die Persönlichkeit, die wir gebildet haben, und es weicht aus dem Körper seine feinstoffliche Essenz. Buddhisten streben danach, diese im Leben und im Sterben in das klare Licht zu überführen, die Erleuchtung. Hierfür bietet der Moment des Todes eine gute Chance. Im Blick auf die Vergänglichkeit hat Mozart viel gemeinsam mit dem, was der Buddha lehrt.
In einem Text, der von Studenten des tibetischen Buddhismus häufig rezitiert wird, steht die Auseinandersetzung mit der Vergänglichkeit im Leben am Anfang. Sie dient der Motivation für den spirituellen Weg, hilft Mitgefühl zu entfalten, reinigt negative Gedanken und Emotionen, mündet in die Zufluchtnahme zu Buddha (Lehrer), Dharma (Lehre) und Sangha (Gemeinschaft) und ist schließlich die Voraussetzung für Hingabe an die eigene unsterbliche Natur des Geistes, aus der heraus der Tod als Übergang in eine neue Geburt erlebt wird.
So heißt es in diesem Text in den vier Gründen der Entsagung:
Bedenke, wie kostbar es ist, frei und begünstigt zu sein.
Dies ist schwer zu erlangen und leicht zu verlieren,
jetzt will ich etwas Sinnvolles tun.Die ganze Welt und ihre Bewohner sind vergänglich.
Insbesondere gleicht das Leben der Wesen einer Seifenblase.
Der Tod kommt ohne Warnung; dieser Körper wird ein Leichnam sein.
Dann ist der Dharma (die Lehre) meine einzige Hilfe.
Ich will ihn mit freudigem Eifer praktizieren.Düdjum Tersar Ngöndro
Wahrnehmung und Akzeptanz der Vergänglichkeit und des Leidens in dieser Existenz, dienen in allen buddhistischen Traditionen als Motivation für spirituelle Praxis, deren Sinn es ist, sich mit der unsterblichen Essenz zu verbinden. Daraus entspringt, gemäß der buddhistischen Lehre, Glück, die Befreiung von Anhaftung und Abneigung. Die Geisteshaltung, die entsteht, ist Gelassenheit. Sie ermöglicht es, die Achterbahn des Lebens entspannt zu ertragen, weil die Identifikation mit Gefühlen und Gedanken sowie Wertungen aufgehoben ist. Innere Ruhe und Mitgefühl kommen aus dem Raum, der hinter den Wolken liegt, dem Feld universeller Potenzialität.
Im Angesicht der Endlichkeit des Seins ist es möglich, den Sommerregen auf der Haut, den Morgentau auf dem Blütenblatt, die tanzenden Lichtkegel im Wasser, das Lachen eines Kindes, das Spiegelei auf dem Teller als ein Geschenk zu würdigen.Freude am Sein im Hier und Jetzt erfüllt das Herz. Das Leben wird dadurch nicht schwieriger sondern reicher. Wir werden bescheidener und weniger gierig. Es ist alles da, alles im Überfluss. Es geht darum, dies zu sehen, im Augenblick zu leben, mitfühlend und achtsam zu sein, auch wenn das Leben sich dem Ende zuneigt. Es kommt ja eine Wandlung, die sogar die Chance zur Erleuchtung mit sich bringt. Dabei die Mitte zu halten, danach streben, buddhistisch Praktizierende. Doch auch hier gibt es eine Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Im Sterben zeigt sich, was innerlich trägt.
Auf der Schwelle
Nun hat die Vergänglichkeit auch ihre leidhafte Seite: wenn wir einen Verlust erfahren, die Arbeit verlieren, unser Lebenspartner sich trennen möchte, die Kündigung der Wohnung ins Haus steht, besonders dann, wenn ein Unfall passiert, ein geliebter Mensch stirbt oder uns klar wird, dass eine lebensbedrohliche Krankheit uns nur noch wenig Zeit gibt. Wir werden gezwungen Abschied zu nehmen. In diesen Situationen stehen wir auf der Schwelle. Das Alte ist innerlich noch nicht abgeschlossen, obwohl sein Tod vielleicht äußerlich schon geschehen ist; das Neue hat für uns noch nicht begonnen. Es keimt vielleicht schon, zeigt sich vorsichtig. Das zarte Pflänzchen will genährt werden. Das geht nur, wenn wir ihm Raum zum Wachsen geben und die Bedingungen dafür herstellen. Eine Voraussetzung für den Neubeginn ist der Abschied vom Alten.
Ich greife mir den Tod heraus, den Abschied am Sterbebett und die Trauerfeier. Auch wenn wir den Tod als Übergang verstehen, in etwa als würden wir ein marodes Haus verlassen und umziehen, so bleibt doch am Tod immer etwas Unbegreifliches. Manchmal ergreift uns die verzweifelte Sehnsucht nach der Entschlüsselung des Mysteriums. Diese wurzelt in dem Bedürfnis nach Kontrolle. Wir wollen etwas in den Griff bekommen, was sich uns entzieht. Es ist unberechenbar.
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Eine Antwort
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